Autumn Blues
Manchmal wäre ich gerne ein Bär, dann könnte ich in meiner Höhle Winterruhe halten und würde erst wieder rauskommen, wenn es nicht mehr grau, nass und kalt ist…
Im Kindergarten haben wir immer gesungen “Liebe, liebe Sonne, komm ein bisschen runter. Lass den Regen oben…” Doch das hilft hier nicht mehr. Nicht zu dieser Jahreszeit und schon gar nicht in Kiel. Auf dem Weg zur Arbeit ist es dunkel. Auf dem Rückweg ist es auch dunkel. Und zwischen dunkel und dunkel zeigen sich Varianten von diesigem Weißgrau bis matschigen Elefantengrau.
Bin ich die Einzige, der das triste Wetter so auf das Gemüt schlägt? Ich will wieder Sonne spüren. Ein bisschen Glück tanken. Heute habe ich ernsthaft überlegt mal einen Ausflug ins Sonnenstudio zu machen, nur um für einen kleinen Moment der Illusion. Aber ich weiß gar nicht mehr, wie das geht und habe es dann doch verworfen. Es gab mal eine Zeit – damals in der Oberstufe – da war das Motto “je bräuner, desto heißer”. Natürlich wollte man den Anschluss nicht verpassen und toastete um die
Wette was das Zeug hält. Um dann hinterher so zu tun als käme das alles ganz natürlich von den zwei Freibadausflügen. Ich brauche glaube ich nicht zu erwähnen, dass die Augenbrauen auch noch eine deutliche Spur schmaler waren und man sich die volle Dröhung schwarzen Kajal ums Auge malte. Jetzt bin ich eher etwas wie ein Sonnenphobiker. Standardmäßig Lichtschutzfaktor 50 im Gesicht (auch wenn es regnet), Bräunen nur im Schatten und nach 15 Uhr (wenn überhaupt). Ich mag diesen Trend mit der Natürlichkeit. Das macht vieles einfacher und schöner. Auch wenn das Augenbrauen-Nachwachsen-Lassen nach jahrelanger exzessiver Zupferei eher eine Geduldsprobe war. Hätte ich mehr auf meine Mutter gehört, wäre mir das erspart geblieben.
Und jetzt sitze ich wieder da in meinem alljährlichen Autumn Blues. Gefangen im Vakuum zwischen dem Sommer, der gefühlt eine Ewigkeit her ist und der weihnachtlichen Gemütlichkeit, die noch nicht ganz da ist.
Dann werde ich immer nostalgisch, wie man sicher merkt, und schaue mir Fotos an. So hing ich auch wieder sehnsüchtig an den Shooting-Ergebnissen hier mit Karla in Noer.
In diesen Moment würde ich mich gerade wirklich gerne zurückbeamen. Oder halt überwintern, bis die ersten warmen Sonnenstrahlen wieder auftauchen. Ich denke da natürlich nicht an Winterschlaf, sondern an eine Sonderform der Winterruhe. Ich stelle mir das in etwas so vor, dass ich mich den ganzen Tag in meine Daunendecke einkuschle, Bücher lese, Kräutertee trinke und das herrlichste Essen seinen Weg ganz von alleine im Tischlein-Deck-Dich-Style in meine Höhle findet. Da gibt es zum Beispiel heiße Waffeln mit Karamell und Apfelstückchen, Pekingente, Hummus mit Zitronensauce, Basilikumlimonade, Salmiakkugeln, Lebkuchen und Kakao mit Marshmallows. Und weil sich mein Konto automatisch mit jeder Stunde, die ich im Bett kuschel füllt, brauche ich in dieser Zeit selbstverständlich auch nicht zu arbeiten:D Warum hat diese From der Überwinterung eigentlich noch niemand durchgesetzt? Und weil ich natürlich realistisch bin und weiß, dass ich gerade von Quatsch träume, mache ich das einzige, was ich in dieser Situation tun kann. Ich nehme brav meine Kapsel Vitamin D und grinse mich dämlich morgens im Spiegel an, obwohl es mir komplett wiederstrebt, weil ich weiß, dass man seinem Gehirn vorgaukeln kann, man hätte gute Laune. Und ganz insgeheim freue ich mich wirklich auf die Weihnachtszeit. Irgendwie ist das gedimmte Licht ja auch gemütlich:)